von Rechtsanwalt Christoph Rühlmann aus Düren, zugleich Fachanwalt für Strafrecht
erschienen in der DNS 04/2014
Die Kriminologen zeigten sich in den vergangenen Wochen und Monaten alarmiert und zerrten eine neue Sache unter der schmuddeligen Decke hervor ans Licht der Öffentlichkeit. „Sexting“! Seither wird verstärkt diskutiert über diesen weiteren unappetitlichen Ausfluss des Amalgams aus Digitalisierung, Virtualisierung und Sexualisierung der Jetztzeit.
„Sexting“ ist eine Zusammensetzung der Wörter „Sex“ und „Texting“ und beschreibt das Versenden erotischer bis pornografischer Fotos, teils mit Begleittext, via Smartphone. Gerade bei Jugendlichen ist „Sexting“ mittlerweile ein Phänomen, das wissenschaftlich untersucht und in Statistiken erfassbar wird. Nach einer Umfrage der Uni Merseburg unter ostdeutschen Schülern haben 19% der Mädchen und 11% der Jungen schon einmal erotische Fotos und Filme von sich produziert und verschickt. Sei es aus Spaß, als Liebesbeweis, auf Druck anderer Personen oder als sexuelles Selbstbestätigungsritual. In der Regel erfolgt das Verschicken der Bilder oder Filmchen an den momentanen Freund oder die Freundin.
Die Konsequenzen, dass z.B. eine Weiterleitung des Bildmaterials an eine nahezu ins Unendliche gehende Internetgemeinde passieren kann, wird oft nicht bedacht. Die Fälle, in denen die halbe Schule oder die Kollegen auf der Arbeit, teils verächtlich, teils höhnisch grinsend, Kenntnis von der Existenz intimster Fotos der Betroffenen offenbaren, häufen sich. Dies führt nicht selten zu Mobbing, Schulabbruch, Kündigung des Arbeitsverhältnisses und massiven psychischen Problemen bei den Betroffenen.
Was folgt hieraus? Sicher, das Rad der Zeit lässt sich nicht zurückdrehen und die Ohnmacht vieler Eltern angesichts der Sorge darüber, dass ihre Kinder Internet und soziale Medien in einer für sie schädlichen Weise nutzen, ist greifbar.
Welche Eltern vermögen heute faktisch noch zu kontrollieren, welche Internetseiten von Sohn oder Tochter auf dem Smartphone besucht werden und mit wem, was und wie in den diversen sozialen Netzwerken kommuniziert und ausgetauscht wird. Die Befürchtung mancher Väter und Mütter, durch allzu misstrauisches Verhalten und zu strikte Kontrollen, das Vertrauen zu den Kindern zu beschädigen, erscheint nicht unberechtigt. Aber gerade deshalb ist Vorbeugung wichtiger denn je, und auch das Phänomen des „Sextings“ sollte Eltern nicht dazu veranlassen vor lauter Scham Augen, Ohren und Mund zu verschließen.
Erforderlichenfalls ist mit dem Nachwuchs auch mal ein unbequemes Gespräch zu führen. Denn wenn die Sache nämlich erst einmal schiefgegangen ist, dann sind die Konsequenzen oft nur schwer reparabel.
In jedem Fall empfiehlt es sich bei Weiterverbreitung entsprechender Fotos oder Filme sofort einen Anwalt aufzusuchen um Schadensbegrenzung zu betreiben. Die Geschichte aus lauter Scham auszusitzen und zu hoffen, dass wieder bessere Zeiten kommen, ist dann genau der falsche Weg. Die Weiterleitung der Bilder an Unbefugte stellt nämlich einen eklatanten Fall von Persönlichkeitsrechtsverletzung dar und es gibt durchaus juristische Hilfsmöglichkeiten. Die Täter der Weiterverbreitung können auf Unterlassung, Beseitigung oder auch Schmerzensgeld verklagt werden, was auch im Rahmen eines gerichtlichen Eilverfahrens erfolgen kann.
Es sei noch die strafrechtliche Komponente des Weiterverbreitens intimer Fotos dargestellt. § 184 c StGB sieht eine Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren vor, für denjenigen, der pornografische Schriften von Jugendlichen verbreitet oder zugänglich macht, wobei je nach Art und Qualität des Bildmaterials dieses juristisch betrachtet als pornografische Schrift im Sinne des Gesetzes gilt.
Um abschließend nochmals den alten Goethe, selbst auch kein Kind von Traurigkeit, zu Wort kommen zu lassen: „Es gibt zwei friedliche Gewalten: das Recht und die Schicklichkeit.“
Eine umfassende Aufklärung über die Gefahren von „Sexting“, könnte helfen, die Furcht um „das Recht“ geringer ausfallen zu lassen. Die Motive für die „Schicklichkeit“ brauchen niemanden zu interessieren.