von Rechtsanwalt Christoph Rühlmann aus Düren, zugleich Fachanwalt für Strafrecht
erschienen in der DNS 06/2014
Viele von uns wird es in den Sommerferien nun wieder in fremde Gefilde ziehen. Aber ob die Reise nun an die Mosel, den Bodensee, in die benachbarten Niederlande oder ans Mittelmeer führt. Vor dem Urlaubsvergnügen steht die Anreise dorthin, die von vielen von uns als eher stressig und lästig empfunden wird.
Etwas Linderung suchen viele Autofahrer daher, generell, aber auch gerade auf der Anreise in den Urlaub, durch Nutzung einer sogenannten Blitzer-App, die vor stationären oder mobilen Radarfallen warnen soll. Diese gibt einen Warnton ab, wenn sich Autofahrer einer Geschwindigkeitskontrolle nähern und es gibt sie für alle großen Smartphone-Betriebssysteme. Die Warnung vor Radarkontrollen funktioniert dabei mit Schwarm-Intelligenz. Nutzer der Apps melden dem Betreiber per Smartphone, wenn sie einen festen Blitzer oder eine mobile Kontrolle sehen und diese werden dann auf einer Blitzerkarte vermerkt und an alle Nutzer der App gemeldet. Aber Vorsicht! Ob die Nutzung solcher Blitzer-Apps legal ist, ist selbst zwischen verschiedenen deutschen Justizbehörden Gegenstand kontroverser Diskussionen. Darüber hinaus herrscht keine europäisch einheitliche Regelung. In vielen europäischen Ländern ist die Nutzung von Blitzer-Apps strikt verboten, während sie in anderen erlaubt ist und in wiederum anderen Ländern ähnliche Konfusionen bei Interpretation der Rechtslage herrscht.
In Deutschland besagt § 23 Abs. 1 b der Straßenverkehrsordnung: „Dem Führer eines Kraftfahrzeuges ist es untersagt, ein technisches Gerät zu betreiben oder betriebsbereit mitzuführen, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören. Das gilt insbesondere für Geräte zur Störung oder Anzeige von Geschwindigkeitsmessungen.“ Der amtliche Bußgeldkatalog sieht für einen Verstoß gegen die Vorschrift einen Regelsatz von 75,00 € plus 4 Punkten in Flensburg vor. Was zunächst nach einer klaren Verbotsregelung aussieht, erweist sich bei näherem Hinschauen als sogenannter „Gummiparagraph“. Hierunter verstehen Juristen eine schwammige Regelung, die so oder so ausgelegt werden kann. Zu Recht wird von Verbotsgegnern zu bedenken gegeben, dass Smartphones eine Vielzahl von Funktionen erfüllen und die darauf installierte Blitzer-App somit nur einen kleinen Bruchteil der Gesamtfunktionalität ausmacht, womit das Smartphone selbst eben nicht „allein dafür bestimmt ist“ Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören. Diese Formulierung wird eindeutig lediglich durch Produkte erfüllt, die ausschließlich der Warnung vor Radarfallen dienen und die es bekanntlich im Elektronikhandel leicht zu erwerben gibt.
Darüber hinaus bestimmt die Vorschrift ja auch nur, dass dem „Führer eines Kraftfahrzeuges“, mithin dem Fahrer der Betrieb oder das Mitführen des technischen Gerätes untersagt ist. Was also gilt, wenn der Beifahrer das Smartphone auf dem die Blitzer-App installiert ist in den Händen hält oder bedient? Fragen über Fragen, die letztlich auch von obersten deutschen Justizbehörden nicht einheitlich beurteilt werden. So hat das Bundesverkehrsministerium auf Anfrage des MDR erklärt, die Apps seien unzweifelhaft illegal. Es genüge, dass mindestens eine Komponente des Gerätes (Smartphones) speziell der Warnfunktion diene. Auch sei die Nutzung des Handys durch den Beifahrer von § 23 Abs. 1 Satz b umfasst. „Sinn und Zweck der Vorschrift ist es ja, dass der wahre Fahrer nicht in die Lage versetzt wird, vor Kontrollen gewarnt zu werden.“ Dem gegenüber hat das „Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz“ auf Anfrage einer überregionalen großen deutschen Zeitung erkennen lassen, dass die Rechtslage eben nicht so einfach und bislang ungeklärt ist: „Die Unsicherheit bei den Navis mit Zusatzfunktionen entsteht daraus, dass ein Gerät nach der StVO dazu bestimmt sein muss, Radaranlagen anzuzeigen. Bei Kombigeräten, die die Warnfunktion nur als Extra und nicht als Hauptfunktion haben, ist die Frage schwierig zu beantworten.“
Auch die Rechtsprechung hat bislang kein Licht ins Dunkel gebracht. Wie sonst in solcherlei Fällen üblich, gibt es nach hiesiger Kenntnis bislang keine verallgemeinerungsfähigen Präzedenzurteile, die feststellt haben, ob die Apps verboten sind oder nicht. Wer also eine Smartphone-App dieser Art nutzt hat ein relativ geringes Risiko, dass er hierfür bußgeldrechtlich zur Verantwortung gezogen wird. Dies gilt auch unter dem Gesichtspunkt, dass Polizeibeamte im Falle einer Kontrolle das Handy nicht beschlagnahmen und auf Vorhandensein einer solchen App überprüfen dürfen. Hierfür benötigten sie einen konkret belegbaren Anfangsverdacht, dass ein rechtswidriges Verhalten von einigem Gewicht vorliegt und wohl auch einen richterlichen Beschlagnahme- und Durchsuchungsbeschluss. Dass es hierzu kommen kann, erscheint dem Verfasser eher fernliegend.
Für diejenigen, die sich nach Lektüre dieses Artikels bis hierher nun auch nicht deutlich besser orientiert fühlen mag als Trost dienen, dass Polizeibeamte mit viel „Blitzererfahrung“ oft wenig Probleme mit der Blitzer-App-Funktion haben, da sie in der Regel viel zu ineffektiv sei. Da an einer Stelle maximal 2 Stunden geblitzt würde, seien auch vermeintlich topaktuelle Warnungen per GPRS-Datenverbindung häufig völlig unnütz. Wenn die App vernehmlich piept ist die Karawane meist schon weitergezogen.
Noch ein Wort zu den Urlaubsfahrten ins benachbarte europäische Ausland. In Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden sind Gebrauch und Nutzung von Radarmeldern generell verboten. Es drohen teilweise saftige Bußgelder und auch die Beschlagnahmung des Geräts, wie z.B. in den Niederlanden. In Belgien und Österreich ist die Rechtslage ähnlich wie in Deutschland unklar, wo hingegen in Dänemark, der Tschechischen Republik und Ungarn Radarwarngeräte erlaubt sind. Derjenige, der sich vor Antritt seiner Urlaubsreise hinsichtlich der Zulässigkeit der Apps nun einer kompletten Konfusion ausgesetzt sieht, mag überdenken, ob der geringste Stress nicht durch eine ruhige temporeduzierte Fahrweise zu erreichen ist.