von Rechtsanwalt Christoph Rühlmann aus Düren, zugleich Fachanwalt für Strafrecht
erschienen in der HS-WOCHE, DN-WOCHE und JÜLICHER WOCHE KW 42/2018
„In welcher Zeit leben wir eigentlich?“, mag sich in dieser Woche manch einer gefragt haben, als die Nachricht über alle Kanäle kam, der Journalist und Kritiker des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, Jamal Kashoggi, sei vom saudischen Geheimdienst im Generalkonsulat in Istanbul verhaftet, verhört, gefoltert, getötet, zerstückelt und entsorgt worden. Betreten hatte Kashoggi das Konsulat wohl nur, um Papiere für seine anstehende Hochzeit zu erhalten. Es riecht nach Mittelalter dieser Tage, wobei noch nichts bewiesen ist. Regierungssprecher Seibert verlangte daher „Aufklärung“. Wenn man nur will, stehen die Chancen dafür nicht schlecht, denn anders als im Mittelalter, als Herrscher die unliebsamen und unbequemen ihres Volkes resonanzfrei für immer zum Schweigen brachten, wurde das grausige Verbrechen in Istanbul mutmaßlich auf digitalen Speichermedien festgehalten.
An eine rückhaltlose Aufklärung oder auch nur an das Interesse hieran, mag glauben wer will, ich gehöre jedenfalls nicht dazu. Sicher, in der Tradition unserer bundesdeutschen Strafverfolgung, ist das Verbrechen des Mordes jenes, dessen Aufklärung die aufwändigsten Ermittlungen nach sich zieht. Wälder werden durch Hundertschaften der Polizei durchkämmt, Gewässer trockengelegt, Massengentests gemacht und die scharfsinnigsten Ermittler arbeiten häufig bei der Mordkommission. Nun ist die Aufklärung von Kashoggis Verschwinden keine originäre Aufgabe unserer Regierung und ihrer Ermittlungsorgane, aber zumindest ein echtes Interesse hieran darf man verlangen!
„Schweigen ist schändlich“, titelte die „Süddeutsche“ in der Wochenendausgabe zu diesem Thema, und dem ist nichts hinzuzufügen. Vielleicht hat Regierungssprecher Seibert hier etwas missverstanden, wenn das Zitat stimmt, das Verschwinden des Journalisten und geplante Rüstungsexporte seien zwei Dinge, „die nicht miteinander verbunden sind“. Da hätte er wohl besser geschwiegen. Viele Wirtschaftsvertreter haben diese Sicht der Dinge gemein. Ende Oktober findet in Riad eine Konferenz für Investoren in Saudi-Arabien statt. Das Unternehmen Siemens, das als „strategischer Partner“ der Konferenz auftritt, sieht bislang keinen Grund die Teilnahme abzusagen. Es ist ein „alter Hut“, dass Wirtschaftspolitik und Moral oft getrennte Wege gehen, aber Waffen und Militärsysteme an Mörder zu liefern, bzw. dies zu genehmigen, ist inakzeptabel. Wer sich als Privatperson in unserem Land hierbei erwischen lässt, wird verurteilt: wegen Beihilfe oder Mittäterschaft zum Mord. Beispiele gibt es zuhauf, man schaue nur auf den Angeklagten Wohlleben im NSU Prozess, der die Tatwaffe besorgte. Was dem Einzelnen verboten ist, sollte der Staat nicht selbst durchexerzieren.