von Rechtsanwalt Christoph Rühlmann aus Düren, zugleich Fachanwalt für Strafrecht
erschienen in der DNS 12/2016
Der Vorsitzende Richter des fränkischen Landgerichts gilt landauf, landab als ein „harter Hund“. Aber als er nun ansetzt zu seinem Urteilsspruch und Hans und Manfred, den alle nur Manni nennen, zu jeweils 18 Monaten Haft verdonnert, da kann er sich ein Schmunzeln kaum verkneifen.
Wohl weniger aus Schadenfreude heraus, sondern deshalb, weil Hans und Manni eine Idee hatten um an Geld zu kommen, die gleichermaßen verrückt, wie einzigartig schmerzfrei war.
Hans hatte sein Leben lang auf dem Bau und als Gärtner geplackt und sein Rücken tat ihm morgens und abends so weh, dass er irgendwann im Laufe dieses schicksalhaften achtundfünfzigsten Lebensjahres beschloss, er habe fortan genug gearbeitet und sich ein wenig mehr Sonne und Entspannung beim „Bier nach Vier“ verdient. Das Problem war nun, dass er über keinerlei nennenswerte Ersparnisse verfügte und eine Kur nach seinen Vorstellungen, sei es unter der griechischen oder aber der spanischen Sonne, für ihn Lichtjahre entfernt schien.
Kumpel Manni, der Rückenschmerzen nur vom Hören und Sagen kannte, war er doch der körperlichen Arbeit weniger zugetan als verschiedenen Rauschmitteln, teilte zumindest ein Problem mit Rudi. Er war so gut wie immer klamm und nach dort, wohin er so gerne „flog“, kam man auch nicht mit Zwei Euro Fünfzig. Und so entstand in den trüben Herbstmonaten in Hans` altem Partykeller ein Plan, der im Keim ersonnen, wieder verworfen, neu aufgegriffen, verfeinert und schließlich als fertiger Plot einstudiert wurde. Regie und Hauptrollen: Hans und Manni. Vorhang auf!
Einige Monate später geht bei einem großen deutschen Versicherungskonzern ein Anspruchsschreiben ein, mit dem der Versicherungsnehmer zweier auf seine Person abgeschlossener Unfallversicherungen, die Zahlung von 40 000 Euro beansprucht. Absender des Schreibens ist, man ahnt es schon, der arbeitsmüde Hans, der so klagt er der Versicherung, sich versehentlich selbst mit der Kettensäge Daumen und Zeigefinger der linken Hand abgeschnitten habe und nun Zeit seines Lebens nicht mehr richtig arbeiten könne. „Hmm“, denkt sich wohl der Sachbearbeiter der Unfallversicherung, lässt dem Hans einen Scheck über 40 000 Euro zukommen und wundert sich, dass die Finger nicht mehr da waren, als Hans mit Kumpel Manni, der zufällig bei dem Unfall anwesend war, ins Krankenhaus kam. Man habe noch schnell einen ölgetränkten Lappen um den Stumpf binden können, die Finger seien aber weg gewesen. „Wo sollen die denn hingefallen sein?“, fragen die Ärzte. Achselzucken bei Hans und Manni. Vielleicht hat der Hund sie gefressen, der lief die ganze Zeit im Garten, wo der Unfall passiert ist, rum. „Tss, tss …“, denkt sich jetzt der Sachbearbeiter der Versicherung und übergibt die Sache der Staatsanwaltschaft, die ein Sachverständigengutachten in Auftrag gibt, ob das überhaupt so gewesen sein kann, dass diese Verletzung ohne „fremde Hilfe“ selbst mit der Kettensäge verursacht worden ist.
Sechs Monate später sitze ich neben Hans und Manni, meinem Mandanten, im Landgericht um als Verteidiger das Bestmögliche für ihn rauszuholen. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen Versicherungsbetruges gegen beide und zusätzlich wegen schwerer Körperverletzung gegen Manni erhoben. Der Sachverständige hatte in seinem Gutachten nahegelegt, dass es kein Unfall war und jemand anderes den Hans verstümmelt haben müsse, anders ließen sich die Verletzungen nicht erklären. Was folgte, war eine Durchsuchung des Schuppens in Hans` Garten, wobei man auf der Kettensäge und einem Bolzenschneider Mannis Fingerabdrücke fand. Was ja aber gar nichts beweist, wie ich als Verteidiger zu Recht einwende. Beide bestreiten die Anklage vehement. Trotzdem läuft das Verfahren nicht gut. Hansi und Manni werden in der Befragung von Gericht und Staatsanwaltschaft „gegrillt“ und bei manchen Antworten weiß selbst der Verteidiger nicht ob er nun lachen oder weinen soll. Der Vorsitzende Richter deutet an, dass sich ein Geständnis extrem strafmildernd auswirken würde. Sollten die Angeklagten die Tat weiterhin bestreiten – und würden am Ende der Beweisaufnahme vom Gericht als überführt angesehen, drohe Knast ohne Bewährung. So endet der erste Sitzungstag.
Zu Beginn des zweiten Sitzungstages tut sich Erstaunliches. Hans und Manni drängeln geradezu um das Wort. Es gehe um die Wahrheit! Die solle jetzt auf den Richtertisch und das „en detail“. Und so erfahren die staunenden Zuhörer, wie sich der Hans mit Manni eines Tages im Geräteschuppen vom Hans traf. Das ölige Tuch zum Verbinden der erwarteten Wunde bereitgelegt wurde. Ölig, weil das unauffällig wirkt, eben wie ein notfallmäßiger Verband. Das chirurgische Werkzeug, Kettensäge und Bolzenschneider, wurde geholt und gesichtet, das heißt auf Funktionsfähigkeit geprüft. Los ging`s! „Halt den Daumen und Zeigefinger links gespreizt. Und halt den Arm grade!“, wies der Manni den Hans an, bevor er zur Tat schritt. Gerne tat er das ja nicht, so erklärte Manni den Richtern. Aber versprochene 3 000 Euro seien halt schon gutes Geld für so eine kurze Arbeit!
„Höllisch weh tat`s“, klagt wiederum der Hans dem Gericht. Gut habe der Manni das nicht hingekriegt! Vor allem das Nachknipsen mit dem Bolzenschneider, weil die Fingerchen so gar nicht abgesägt werden wollten, sei eine echte Viecherei gewesen. Als es dann soweit war, habe man sie noch in die Mülltonne befördert. Wieder Annähen war bekanntlich unerwünscht. Dann sei man ins Krankenhaus gefahren. Heute bereue er das alles! Das Geld von der Versicherung sei schon fast weg. Der Urlaub war zwar toll, aber nur mit 8 Fingern, das sei irgendwie auch Scheisse!
Das Urteil fällt milde aus. 18 Monate Haft auf Bewährung für Hans und dasselbe ohne Bewährung, aber mit Unterbringung in einer Drogentherapieanstalt, für den bereits reichlich vorbestraften Manni. Bayrische Gerichte fällen zuweilen sehr knackig harte Urteile. Aber wie soll man jemanden noch bestrafen, der sich selbst die Finger abgesägt hat und der Versicherung überdies jeden Euro zurückzahlen darf, den diese zur Schadensregulierung geleistet hat? Und noch eins! Nur die Idee war schmerzfrei. Seine Rückenschmerzen, sagt Hans den Richtern, waren ein „Kindergeburtstag“ gegen die narkosefreie Operation durch Amateurchirurgenkumpel Manni! Das wünsche er keinem!