von Rechtsanwalt Christoph Rühlmann aus Düren, zugleich Fachanwalt für Strafrecht
erschienen in der Dürener Zeitung
Dass man sich selbst auf Fotos kaum wiederkennt, soll bekanntlich vorkommen und ist zumeist eher unerfreulich. Handelt es sich aber dabei um ein sogenanntes „Radarfoto“, so kann sich dies durchaus vorteilhaft auswirken, jedenfalls sofern der geblitzte Fahrer aus diesem oder jenem Grund den Verkehrsverstoß nicht per se zugeben möchte. Es gibt eine Vielzahl von Gerichtsurteilen, die sich mit der Problematik des Widererkennens unter Zuhilfenahme eines Radarfotos beschäftigt haben, einige wichtige werden nachfolgend vorgestellt.
Ein sehr unscharfes Messbild, oder ein solches, auf dem der Fahrer zu einem größeren Teil verdeckt ist, lässt nach den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens eine Identifizierung regelmäßig nicht zu (BGH NZV 2006, 160). Ein Messfoto kann grundsätzlich nur dann für eine Identifizierung geeignet sein, wenn aus ihm hinreichend viele körperliche Merkmale extrahierbar sind (OLG Düsseldorf DAR 2011, 408, 409). Für ein Foto mit unzureichender Qualität hat das Oberlandesgericht Hamm folgende Merkmale aufgeführt: Das Foto weist einen Grauschleier auf, Konturen sind leicht verwischt, Haaransatz ist durch den Innenspiegel verdeckt und aufgrund der Unschärfe und Kontrastarmut sind weder die Haartracht noch die Gesichtszüge hinreichend deutlich zu erkennen (OLG Hamm NZV 2006, 162).
Ein Wort sei noch verloren zu den Karnevalsjecken, die maskiert oder geschminkt geblitzt werden. Eine oft gestellte Frage lautet, ob das Autofahren in maskiertem Zustand in der fünften Jahreszeit erlaubt ist oder nicht. Hier gilt, dass es kein Gesetz gibt, welches das kostümierte Fahren grundsätzlich verbietet. Nach § 23 Abs. 1 StVO sind nur solche Kostüme oder Masken untersagt, die die eigene Sicht und damit die Verkehrssicherheit behindern. Der am Straßenverkehr teilnehmende Clown oder Orang Utang kann im Falle des „Geblitztwerdens“ also gegebenenfalls kaum identifiziert werden. Es steht aber zu erwarten, dass die Straßenverkehrsbehörde oder der Richter bei der Befragung des Halters nach der Person des Fahrers besonderen Ehrgeiz entwickeln, sofern der Halter bestreitet selbst gefahren zu sein. Nach den tollen Tagen verliert sich eben auch bei mancher Behörde die Toleranz recht schnell wieder.
Die grundsätzliche Entscheidung, ob ein Verkehrsverstoß bestritten oder zugegeben wird, liegt letztlich allein beim Betroffenen. Stets wird eine Risiko-Nutzen-Abwägung erforderlich sein, die nur dann zutreffend vorgenommen werden kann, wenn das übliche verwaltungsmäßige Procedere bekannt ist. Bei Geschwindigkeitsüberschreitungen wird dem Fahrzeughalter häufig zunächst ein Anhörungsbogen mit dem Messfoto übersandt, verbunden mit der Frage, ob der Verkehrsverstoß als Fahrer zugegeben wird. Kein Beschuldigter ist verpflichtet, an seiner Überführung als Täter, in diesem Fall als Fahrer, mitzuwirken. Wird der Verstoß nicht zugegeben, stellt das Messfoto für die Ermittlungsbehörde oft das wichtigste Beweismittel dar. Entsprechend der oben zitierten obergerichtlichen Entscheidungen verlangt die Rechtsprechung nun aber, dass die Radarfotos gewissen Mindestqualitätsstandards genügen, um vor Gericht zur Identifizierung zu taugen. Ist das Messfoto von vorneherein zur Identifizierung ungeeignet und gibt es keine weiteren Beweismittel, die die Fahrereigenschaft belegen, so ist das Verfahren von der Bußgeldbehörde einzustellen. Aber Vorsicht! Das auf dem Anhörungsbogen gezeigte Printerfoto mag häufig unscharf oder kontrastarm sein, doch vermag die Bußgeldstelle oder das Gericht ein Hochglanzbild fertigen lassen, dessen Qualität bedeutend besser ausfallen kann. Außerdem können weitere Beweismittel, wie z.B. Zeugenaussagen zur Identifizierung des Fahrers beitragen.
Ratsam ist im Zweifelsfall die Einschaltung eines Rechtsanwaltes schon deshalb, weil nur dieser Akteneinsicht nehmen kann und damit die Beweislage umfassend abzuschätzen vermag. Hiernach kann das weitere Vorgehen mit dem Mandanten risikogerecht erörtert werden. Zudem gilt es weitere mögliche „Begleiterscheinungen“ zu erörtern. So besteht die Möglichkeit, dass im Falle des Bestreitens der Fahrereigenschaft durch den Fahrzeughalter, die Bußgeldbehörde dem Halter versucht ein Fahrtenbuch aufzuerlegen, was unangenehm und zeitaufwändig sein kann. Auch dies lässt sich gegebenenfalls abwenden, setzt aber entsprechende Fachkenntnisse voraus, über die der Rechtslaie regelmäßig nicht verfügt. Übrigens übernehmen die meisten Rechtsschutzversicherungen die Anwaltskosten in Fällen dieser Art.